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Astrofotografie und Bastelprojekte

Vom Rohbild zum Spektrum eines Sterns – der grundlegende Workflow

Im ersten Teil dieser neuen Beitragsserie habe ich versucht, euch einen ersten Kontakt mit dem Thema der Spektrographie astronomischer Objekte zu vermitteln. Da ich euch hier künftig häufiger entsprechende Beispiele meiner Experimente präsentieren möchte ist es ganz hilfreich, einmal einen Blick auf die Grundlagen dieser Arbeit zu werfen.

Wie also entsteht so ein Spektrogramm und was genau kann man darauf eigentlich erkennen? Bevor wir uns diesen Fragen widmen, hier noch ein wichtiger Disclaimer:

Ich bin, wie ihr im ersten Beitrag dieses Themengebiets sicher schon herauslesen konntet, total Anfänger in diesem Bereich. Daher bitte alle Beschreibungen auch immer unter diesem Aspekt sehen. Vieles an dem vorgestellten Workflow ist sicher nicht optimal gemacht bzw. nicht genau dargestellt. Es genügt daher sicherlich nicht den Ansprüchen derjenigen Amateure, die sich ebenfalls mit großer Leidenschaft und weit größerer Expertise diesem Thema widmen. Falls einer dieser „Profis“ dies hier liest: Ich bin für Hinweise und Tipps immer dankbar! 

Um den Weg vom Teleskop zum fertigen Spektrum darzustellen nutze ich Rohdaten, die ich 2021 am Stern Altair gesammelt habe, und an denen ich die Kalibrierung meines Setup durchgeführt habe.
Warum Altair? Schlicht und einfach, weil er für diese Aufgaben sehr gut geeignet ist. Das liegt zum einen daran, dass er mit einer scheinbaren Helligkeit von 0,76 mag sehr hell ist und daher auch bei kurzen Belichtungszeiten ein schönes Spektrum produziert. Zudem gehört er einer Spektralklasse an (A7 IV-V um genau zu sein) die diese Kalibrierung sehr vereinfacht was daran liegt, dass Sterne dieser Klasse sehr ausgeprägte Absorptionslinien des Wasserstoffs aufweisen. Wir werden gleich noch sehen, was genau dadurch so einfach wird.

Altair, der Hauptstern des Sternbilds Adler, ist ein günsiges Ziel für das erste Spektrum mit dem Star Analyzer (Quelle Wikipedia, freigegeben gem. CC BY-SA 3.0)

Der erste Schritt zur Erstellung eines Spektrums ist de Arbeit am Teleskop, weshalb ich hier kurz mein Setup vorstellen möchte. Wie schon eingangs erläutert nutze ich für meine Experimente den Star Analyzer 100. Das ist ein Transmissionsgitter mit 100 Linien/mm, das in einem 1,25“ Filtergehäuse gefasst ist. Ich verwende ihn an einer monochromatischen Planetenkamera des Typs ZWO ASI178MM, die über eine Steckhülse an mein Celestron C6 adaptiert wird. Mehr ist prinzipiell nicht erforderlich. Klappspiegel und Rotpunktvisier, die auf dem Foto des Setup sichtbar sind, dienen zum Aufsuchen von Objekten (ich arbeite noch immer mit einer simplen EQ-5 Montierung). Das Guidescope verwende ich zumindest bisher nicht für die spektroskopische Arbeit.

Der Star Analyzer wird wie ein gewöhnlicher Filter an die Kamera adaptiert, hier eine ZWO ASI 178MM.
Teleskop Setup für Spektroskopie-Aufnahmen mit dem Star-Analyzer 100.

Über das Gewinnen eines Rohbildes mit dem Star Analyzer 100 gäbe es bereits einiges zu erzählen, was aber den Rahmen dieses Eintrags übersteigen würde. Werfen wir daher also gleich mal einen Blick auf typische Rohdaten, die man mit diesem Setup erhält.

Erkennbar ist darauf der Stern Altair selbst ganz links, rechts daneben das sog Spektrum 1. Ordnung. Eine Eigenheit von Transmissionsgittern ist, dass sie mehrere Spektren erzeugen. An das Spektrum 1. Ordnung würde sich das Spektrum 2. Ordnung anschließen, dass aber deutlich lichtschwächer ist und nicht immer auf dem Sensor abgebildet werden kann. Natürlich ist das Spektrum hier schwarz-weiß und kein schöner Regenbogen, das ist aber für die Auswertung egal. Wichtig zu wissen: kurzwelliges Licht (blau) ist im Spektrum links, langwelliges (rot) rechts.

Das Rohspektrum des Sterns Altaßir, aufgenommen mit dem Star Analyzer 100 Transmissionsgitter und einer monochromen ASI178MM.

Die Aufnahme ist ein Stack aus 10 einzelnen Frames, was das Rauschen reduziert. Man kann prinzipiell auch Einzelframes nutzen, das Spektrum wird dann aber etwas „unklarer“ und entsprechend schlechter zu interpretieren. Guiding ist, wie schon gesagt, je nach Aufnahmedauer und Objekthelligkeit nicht nötig.

Ein erster Blick offenbart direkt Lücken im Spektrum. Diese Lücken sind in vielen Spektren sehr charakteristisch und bei der Klärung ihres Ursprungs kommt uns nun erstmals die besondere Spektralklasse von Altair in Spiel. Durch diese ist es nämlich sehr einfach möglich, diese Lücken bzw. Absorptionslinien der sog. Balmer-Serie des Wasserstoffs zuzuordnen.

Das ist jetzt vielleicht ein guter Moment um darauf einzugehen, was man in einem Spektrum sehen kann, und insbesondere der Frage nachzugehen, was das mit den Elementen wie z. B. dem Wasserstoff zu tun hat.

Ich möchte an dieser Stelle erstmal mit der weiteren Bearbeitung des Spektrums fortfahren, aber wer mehr dazu wissen will findet im letzten Beitrag dieser Blogserie ein paar sehr kurze und vereinfachte Informationen dazu. Alternativ kann ich hier auch den Wikipedia-Artikel zum Thema „Spektroskopie“ empfehlen, der eine detailliertere aber dennoch sehr gut verständliche Einführung bietet.

Das gewonnene Bild kann nun mit entsprechender Software ausgewertet werden. Ich nutze hierfür die Software „RSpec“ von Tom Fields bzw. Field Tested Systems. Der erste Schritt dieser Auswertung ist, vereinfacht gesagt, die Bestimmung der Lichtmenge, die jedes Pixel des Sensors gesammelt hat. Dabei wird dieser Wert über jede Spalte aus Pixeln des Chips summiert. Das Resultat sieht dann so aus, wie unten abgebildet.

Ergebnis der Auswertung des aufgenommenen Rohbildes mit der Software RSpec.

Jeder Datenpunkt dieser Kurve entspricht der summierten Helligkeit über jeweils eine Spalte aus Pixeln des Kamerachips. Da man bei diesem Schritt das zweidimensionale Bild des Spektrum in eine einzige Kurve umwandelt spricht man dabei auch oft von „Data Reduction“ bzw. Datenreduktion. Man erkennt links wieder den Peak des Sterns. In der Lichtkurve rechts daneben treten wieder klar die Einschnitte hervor, die den Lücken im Spektrum entsprechen. Aber neben diesen klaren Merkmalen werden noch mehrere kleinere Minima und Maxima der Kurve sichtbar, die man anhand des Rohbilds nicht unbedingt erwartet hätte. Diese Kurve ist als schon viel aussagekräftiger als das Rohbild.

Um diese Kurve nun zu einem Spektrum zu machen, müssen wir die Kurve kalibrieren. Derzeit ist die X-Koordinate noch die Pixelnummer, für das Spektrum muss auf der X-Achse eine Wellenlänge stehen. Wir müssen nun also zuordnen, welche Pixel-Position welcher Wellenlänge entspricht. Hier kommt nun zum zweiten Mal die Kenntnis über die Spektralklasse von Altair in Spiel. Wir haben eben schon gesagt, dass eine charakteristische Eigenschaft von Sternen wie Altair sehr ausgeprägte Absorptionslinien der Balmer-Serie des Wasserstoffs sind. Es liegt also nahe zu vermuten, dass die tiefen Einschnitte in unserer Kurve diesen Linien entsprechen, die jeweils bei bekannte Frequenzen bzw. Wellenlängen auftreten.

Diese Informationen können wir der Software nun mitteilen. Der Star-Analyzer verteilt das Licht der verschiedenen Wellenlängen nach einem linearen Zusammenhang über den Kamerasensor, daher genügen für eine Kalibrierung der Kurve auf die korrekte Wellenänge zwei bekannte Punkte. Anfänglich bietet sich hier z. B. der Stern selbst (der praktisch der Wllenlänge „Null“ entspricht) und die oft sehr deutlich erkennbare H-beta Linie an. RSpec unterstützt natürlich das Identifizieren dieser Linien sowie das kalibrieren selbst mit entsprechenden Werkzeugen. Und so sieht das Ergebnis aus.

Das Spektrum von Altair nach Kalibrierung der Wellenlänge.

Auf dem Bild ist oben Links der Wert der sog. Dispersion angegeben, der hier bei ca. 5,4A/Pixel liegt. Das ist nicht zu verwechseln mit der Auflösung des Spektrums. Diese wird einzig durch das optische Element, in diesem Fall den Star-Analyzer, vorgegeben und ist noch einmal deutlich geringer.

Man kann die vier dunklen Linien der Balmer-Serie nun klar der Kurve zuordnen. Weiterhin sieht man, dass die verwendete Kamera auch im Infraroten Bereich empfindlich ist. Diese Empfindlichkeit sorgt allerdings auch dafür, dass dieses Spektrum noch nicht dem real abgestrahlten Spektrum des Sterns entspricht. Derzeit ist das Spektrum noch eine „Interpretation“, die die Kamera vornimmt. Um zum „echten“ Spektrum zu kommen, müssen wir den sog. „Instrument Response“ der Kamera berücksichtigen. Also die Art und Weise, wie gut die Kamera das Licht unterschiedlicher Wellenlängen wahrnimmt.

Hier können wir uns nun der Arbeit der Profis bedienen, die sehr genaue Spektren der hellsten Sterne produziert haben. Diese kann man verwenden, um den „Instrument Response“ der Kamera zu ermitteln indem man das Roh-Spektrum mit dem tatsächlichen Spektrum (das Referenzspektrum) des Sterns verrechnet (mathematisch steckt dahinter eine simple Division des aufgezeichneten Spektrums durch das Referezspektrum). Details erspare ich euch an dieser Stelle, die Software RSpec unterstützt auch diesen Schritt (der eigentlich aus mehreren einzelnen Schritten besteht) entsprechend.

Das Ergebnis ist dann das finale, absolute Spektrum des Sterns, dass seine Eigenschaften korrekt wiedergibt. Das sieht dann so aus wie unten abgebildet. Damit lässt sich jetzt durch Vergleich mit anderen Referenz-Spektren z. B. grob die Spektralklasse bestimmen, oder auch die Temperatur des Sterns.

Finales Spektrum von Altair nach Berücksichtigung des sog. „Instrument Response“ der Kamera.

Klar erkennen kann man z. B., dass das Licht von Altair viel Blau enthält und das entspricht ja auch der optischen Wahrnehmung. Auch die Linien des Wasserstoffs treten hier wieder deutlich hervor, was wie schon erwähnt typisch ist für einen Stern der Klasse A.

Wenn man diese Linien deutlicher sehen will, kann man das Roh-Spektrum auch „normalisieren“. Man erkennt ja, dass dieses Roh-Spektrum grob eine Glockenform hat. Dies ist die sog „Kontinuum-Strahlung“ des Sterns, deren Form im Wesentlichen von der Temperatur abhängt. Diese Kontinuums-Strahlung stammt aus der Photosphäre des Sterns und verfügt über ein kontinuierliches Spektrum, zeigt also keine Lücken oder andere Eigenschaften. Erst beim Durchtritt der Strahlung durch die darüber liegenden Teile des Sternatmosphäre werden diese Charakteristiken dem Spektrum „aufgeprägt“.

Auf dieses Kontinuum kann man das Spektrum nun beziehen bzw. normalisieren (auch dies ist mathematisch wieder eine simple Division). Man erhält dann ein Spektrum, das um den Wert „1“ variiert und in dem die charakteristischen Linien der Elemente noch deutlicher hervortreten.

Durch Bezug auf die Kontiuums-Strahlung des Sterns entsteht das normalisierte Spektrum von Altair.

Das ist auch gleichzeitig der große Vorteil dieser Darstellung, denn sie offenbart den spektralen „Fingerabdruck“ der chemischen Elemente des Sterns sehr deutlich und erleichtert damit deren Identifizierung. Aber auch andere Aussagen z. B. über die Morphologie eines Sterns sind anhand dieser Darstellung etwas einfacher möglich.

Interessant sind die tiefen „Tröge“ bei ca. 6880A, 7300A und 7650A. Diese haben nichts mit dem Stern zu tun sondern sind Absorptionen durch O2 und H20 (in Form von Wasserdampf) in der irdischen Atmosphäre, die sog. „Tellurischen Bänder“.

Und das war es eigentlich „schon“. Darstellungen der absoluten und normalisierten Spektren werden euch in weiteren Artikeln häufiger begegnen und wenn ihr bis hierher durchgehalten habt wisst ihr nun auch prinzipiell woher die kommen, was sie zeigen und welche Aussagen sie erlauben.

Was man sagen muss:

Der Star Analyzer erlaubt nur eine sehr niedrige Auflösung. Weit entfernt von dem, was Profis zur Hand haben. Viele quantitative Aussagen, die sonst mit solchen Daten gemacht werden können, sind hier nicht möglich. Schon die Abschätzung von Expansionsgeschwindigkeiten eine Nova wird schwierig und von dem Gedanken, damit vielleicht einen noch nicht bekannten Exoplaneten entdecken zu können, kann man sich getrost verabschieden.

Aber man sieht, dass selbst mit dieser vergleichsweise bescheidenen Ausrüstung schon interessante Erkenntnisse möglich sind. Ich habe noch einige Rohdaten, die ich jetzt Stück für Stück auswerten will. U. a. Daten der Nove RS Ophiuchi aus dem letzten Jahr. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt und würde mich freuen, wenn ihr wieder hier zur Stelle seid, sobald ich diese Ergebnisse teilen kann.

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